Im französischen Sektor des Nachkriegsberlin wurde ich 1950 geboren. Mein Spielplatz war die Bombenruine auf dem Nachbargrundstück. Natürlich war das Betreten verboten. Als mein Vater 1961 eine Anstellung in Lübeck erhielt, musste ich umziehen. Bei der Trave stand eine weitere Vertiefung an, um den Fluss schiffbar zu halten, und so brauchten sie Wasserbauingenieure. Ich war schon in den Sommerferien zu meinem Vater nach Lübeck gezogen. Meine Mutter und meine Schwester erlebten in Berlin am 13. August den Mauerbau. Vorübergehend waren auch die Telefonleitungen gestört. Es waren ängstliche Tage. Im altsprachlichen Gymnasium Katharineum in Lübeck überraschte mich die neue Schule schon in der ersten Lateinstunde.Ein Mädchen aus meiner Klasse beschrieb an einer Landkarte die Ausdehnung des römischen Reiches in lateinischer Sprache. In Berlin hatten wir noch deutsch gesprochen. Kurz vor unserem nächsten Umzug nach Wiesbaden durchlitt ich die letzte Überraschung. Ich wurde für eine Ermahnung ins Direktorat gerufen. Man hatte mich mit einer Freundin in der Stadt Hand in Hand gesehen.Ich war fünfzehn und der Ruf der Schule stand auf dem Spiel.
Mein Abitur machte ich 1968 in Wiesbaden an der Dilthey Schule. Obwohl ich dadurch zum 68-er wurde (was ich damals noch nicht wusste), gipfelten unsere Forderungen in der Einrichtung einer Raucherecke auf dem Schulhof. Auf die Frage nach meinem Berufswunsch hatte ich schon viele Jahre geantwortet: Irgendwas mit Theater. Im Staatstheater Wiesbaden stand ich viele Spielzeiten als Statist auf der Bühne, und in meiner ganzen Schulzeit war ich leidenschaftliches Mitglied in Laienspielgruppen. Achtundsechzig rückten aber andere Dinge in den Vordergrund. Es gab Musiker, die stellten ihr Cello in die Ecke, und ich schlug mir das Theater aus dem Kopf.
Ich studierte Politik und Geschichte in Frankfurt. Nach wenigen Semestern wechselte ich ins Studienfach Humanmedizin. Ich wollte lieber etwas mit den Händen machen. Nach meinem Examen 1978 bekam ich eine Stelle als Assistenzarzt in der Chirurgie. Ein paar Jahre hielt ich das durch. Dann aber wollte ich doch noch einmal etwas anderes versuchen, und so bewarb ich mich an der Filmhochschule in Berlin, bestand die Aufnahmeprüfung und studierte dort 4 Jahre.
Um mich während meines Studiums finanzieren zu können, hatte ich begonnen, im ärztlichen Notdienst zu arbeiten. Arzt war ich ja schon. Ich machte am Wochenende in Frankfurt Krankenbesuche und studierte werktags in Berlin. Auf dem Kudamm vor dem Café Kranzler übergoss sich damals eine Frau mit Benzin und zündete sich an. Es war Stadtgespräch. Ich hatte kurze Zeit zuvor noch dort auf der Terrasse etwas getrunken. In der Akademie fragte man mich: „Und was hättest du gemacht, wenn du es gesehen hättest?“ „Ich weiß nicht, irgendwie geholfen!“ „Nein, ein Foto hättest du gemacht. Du bist Filmer!“ Meine ärztliche Tätigkeit im Notdienst hat mich dann so fasziniert, dass ich nach Abschluss des Studiums dort weitergemacht habe. Jetzt, Jahre später, habe ich über meine Begegnungen mit Patienten ein Buch geschrieben.